J. Straub: Die Heiliggeistkirche und das Burgerspital in Bern

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Title
Die Heiliggeistkirche und das Burgerspital in Bern.


Author(s)
Straub, Jan
Series
Schweizerische Kunstführer
Published
Zürich 2017: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte - GSK
Extent
64 S.
by
Arlette Schnyder

In der Reihe Schweizerische Kunstführer liegt seit gut einem Jahr ein Heft vor, das die beiden barocken Monumentalbauten am Bahnhofplatz Bern, die Heiliggeistkirche und das Burgerspital, in neuem Licht erscheinen lässt. Das besondere Verdienst des Büchleins ist es, den engen Zusammenhang der beiden Bauten, die einst im Heiliggeistspital vereinigt waren, herauszuarbeiten. So beginnt der Kunstführer mit dem einstigen Spital zum Heiligen Geist, in dem der Sakralraum und der Lebensraum für die dort untergebrachten Randständigen eine funktionale und ideelle Einheit bildeten. In einem kurzen Abriss schlägt der Kunsthistoriker Jan Straub den Bogen von der ersten Erwähnung eines Spitalklosters der Brüder des Ordens vom Heiligen Geist 1228 über die Kommunalisierung des Spitals bis zu den Veränderungen durch die Reformation. Besonders hilfreich sind die Abbildungen mit Erläuterungen zu den verwirrenden Ortsverschiebungen des alten Spitals und die zusammenfassenden Kastentexte, die das Spital wesen des Mittelalters und der frühen Neuzeit gut erfassen.

Das zweite, ausführlichste Kapitel beschäftigt sich mit der Heiliggeistkirche. Dennoch bleibt die Geschichte des Spitals auch hier spürbar. So schreibt Straub: «Der heu-tige Bau ist als Spitalkirche untrennbar mit der Entstehung des Burgerspitals verbunden – ein steingewordener Etappenschritt in einem ausserordentlich verwickelten Planungsverlauf.» Die Planung beschäftigte die Obrigkeit ab 1715 während Jahren und macht deutlich, wie markant das Repräsentationsbedürfnis des mächtigen Stadtstaats am Umbruch zu einer neuen Zeit war. So entschied sich der Rat für einen im Laufe des Projekts immer exquisiteren Neubau. Da die Planung des Spitals jedoch stockte, wurde ab 1725 nur der Bau der Kirche am alten Standort des Spitals vorangetrieben.

Straub vermag eindrücklich zu zeigen, wie an der Stelle der einstigen Armenkirche ein «ostentativ prächtiger Bau» mit monumentalen Kolossalsäulen, Riesenfenstern und zwei Schaufassaden errichtet wurde. Dies ist umso erstaunlicher, als dass der barocke Prunkbau diametral zur reformierten Tradition der Zurückhaltung steht. Zudem zeigen die Fotografien und gezeichneten Rekonstruktionen die räumliche Enge, in die der Neubau gestellt wurde. Die Kirche konnte, eingeklemmt zwischen Christoffelturm und Stadtmauer, kaum ihre Wirkung zeigen. Dennoch sparte die Bauherrschaft an nichts und entschied sich meist für die teurere Ausführung. Interessant sind die Hinweise auf die Inspirationen für das Bauwerk, dessen Hauptmerkmale die Monumentalität und der oktogonale Kernraum im Inneren sind und die auf die Verwandtschaft mit den calvinischen Predigttempeln im französischen Sprachraum und auf die grossen Übereinstimmungen des Baus mit preussisch-hugenottischen Kirchen in Ostpreussen verweisen. Die Heiliggeistkirche gehört damit «zu den aufwendigsten und eigenständigsten Ausformungen einer calvinistisch geprägten Predigthalle» und bleibt für die nüchtern eingestellte reformierte Schweiz einzigartig.

Das Burgerspital – einst in funktionaler Einheit mit der Heiliggeistkirche – gilt bis heute als der «wichtigste Hospitalbau der alten Eidgenossenschaft». Seine Planungsgeschichte gleicht allerdings einer Zangengeburt. Zunächst stand 1715 der Entscheid, das städtische Gesundheitswesen zu reorganisieren und das marode Obere Spital (am Standort der heutigen Heiliggeistkirche) mit dem Unteren Spital (im ehe-maligen Predigerkloster) zusammenzulegen. Zu diesem Zweck wurden die Insassen des Oberen Spitals in das Untere Spital verlegt – der Abriss des alten Spitals gab Raum für den Bau der neuen Kirche. Nun schob sich allerdings die noch dringlichere Erneuerung des medizinischen Zentrums, des Inselspitals, am Standort des heutigen Bundeshauses Ost dazwischen. So lagen erst 1723 erste Pläne für einen Bau neben der Heiliggeistkirche vor. Die bereits zwischen Stadtmauer und Christoffelturm eingezwängte Kirche liess aber kaum Raum für ein neues Bauprojekt. Erst der externe Blick des Architekten und Ingenieurs Joseph Abeille, der während des Planungsprozesses beigezogen wurde, erkannte neue Möglichkeiten und schlug einen Bau «zwischen den Toren» vor. Der Plan, das neue Spital zwischen dem barocken Schanzenring und der Stadtmauer zu bauen, wird 1734 zur Ausführung bestimmt. Nun entstand ein feudales Armenhaus. Zwar blieb die Institution eine staatlich kontrollierte Kombination aus Armenhaus, Altersheim und Durchgangsstätte für Bettler sowie eine Korrektionsanstalt für sozial unliebsame Elemente – dies jedoch innerhalb einer ürstlichen Anlage. Straub gibt gute Einblicke in dieFunktion des palastartigen Komplexes, der, 1742 eingeweiht, die Revolutionswirren weitgehend unbeschadet überstand und 1803 als Burgerspital ganz der Burgerschaft von Bern zugesprochen wurde. Immer wieder gelingen treffende Umschreibungen, beispielsweise die Beschreibung der Mischung von Fürsorge und Selbstdarstellung, die sich im Bau des Burgerspitals manifestiert. Wenig beachtet bleiben die Elemente der Schichtung der Klassen innerhalb der Burgergemeinde, die sich in der Architektur spiegelt. So wird zwar der rekonstruierte Prunksalon – das Direktionszimmer – beschrieben, nicht aber erläutert, weshalb es in einem Spital- und Armenhaus eines solch repräsentativen Raumes bedurfte. Auch werden die grossen Umbauarbeiten am Burgerspital kaum thematisiert, und der immer wieder umstrittene Standort, der den Bau des Bahnhofs und die Führung der Geleise zentral störte und den Bahnhof Bern bis heute prägt, bleibt unerwähnt.

Die gute Lesbarkeit des Büchleins verdankt sich der flüssigen Sprache des Autors, der vielen ergänzenden Zusatzinformationen in Kästen und der zahlreichen Abbildungen, die den Text illustrieren. Ein ausführliches Glossar im Anhang hilft Architekturlaien beim Entschlüsseln komplexer Gebäudebeschreibungen.

Zitierweise:
Arlette Schnyder: Rezension zu: Straub, Jan: Die Heiliggeistkirche und das Burgerspital in Bern. (Schweizerische Kunstführer, Nr. 1001 / 1002). Bern: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte 2017. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 4, 2018, S. 80-81.

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Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 4, 2018, S. 80-81.

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